KANN DIE KI SCHRIFTDOLMETSCH ÜBERNEHMEN?

Kleiner Roboter

„Hast Du keine Angst, durch die KI ersetzt zu werden?“ Das ist die derzeit häufigste Frage, die ich beruflich gestellt bekomme. Nein, ich habe keine Angst. Warum nicht? Lesen Sie dazu unsere Beobachtungen und Überlegungen.

Vorweg ein schriftliches Statement von Dr.in Marlies Meyer (Hörgeräteträgerin), das ich kürzlich von ihr erhalten habe.

„Es ist erstaunlich, wie schnell die automatischen Transkriptionsprogramme im Deutschen sich in letzter Zeit verbessert haben. Ich denke aber, dass die von/mit Menschen erzeugte Transkription nach wie vor unerlässlich ist, nämlich dann wenn ver­schiedene Sprecher:innen zum Einsatz kommen, keine Tonaufnahme erfolgt, die Anwender:innen und Rezipient:innen nicht technikaffin sind oder wenn es um heikle und sehr entscheidende münd­liche Äußerungen geht.

Auch kann ein/e Schriftdolmetscher:in immer bei der/dem Sprechenden intervenieren, wenn er/sie zu schnell oder undeutlich spricht.

Schriftdolmetscher:innen sind für hörbehinderte Menschen auch immer eine mentale Unterstützung bei Teilnahme an Veranstaltungen und den damit einher gehenden Anforderungen, so wie ich es er­fahren habe. Gerade auch in Gerichtsverfahren ist die menschliche Schriftdolmetschung wichtig und ich bin froh, dass ich mich gemeinsam mit dem ÖSB für entsprechende klare gesetzliche Rege­lungen einsetzen kann.“

Bei der Schriftdolmetschung ist wichtig, dass der geschriebene Text stimmig und korrekt ist

Und hier kommt schon mein erstes Lieblings­beispiel: Vor einiger Zeit – zugegeben, es ist schon länger her – durfte ich einen durch KI erzeugten Schriftdolmetsch-Text auf Fehler überprüfen und verbessern. Es ging um das Erasmus-Programm. Nach eineinhalb Stunden wurde in dem Interview die Frage gestellt: „Wohin kann man sich wenden, um weitere Informationen in diesem Bereich zu er­halten?“ Die Antwort der KI lautete: „Bitte wenden Sie sich an das Orgasmus-Büro“.

Nun, im Gegensatz zu uns kostet die KI wenig oder sogar nichts. Ein gutes Argument, sich dieser Möglichkeit zu bedienen! Oder etwa nicht?

Vor einiger Zeit wurden wir für eine mehrtägige Tagung angefragt. Wie üblich legten wir Kostenvoranschläge, adaptierten diese auf neue Uhrzeiten, strichen Positionen und fügten andere hinzu. Ein ganz normaler Ablauf im Berufs­leben von uns Schriftdolmetscher:innen. Schluss­endlich erreichte uns ein Anruf: Die Schrift­dolmetschung wird mittels KI produziert werden, die „kostet viel weniger“ als wir und „der Output wird derselbe sein“. Gerne wollte ich den Event be­suchen, um mich selbst von der KI-Qualität zu überzeugen. Das Veranstaltungsmanagement wollte davon nichts wissen, denn: „Wir wären nervös, wenn wir wüssten, dass Sie mit Ihrer Fach­expertise im Publikum sitzen.“ Akzeptiert!

Nach der Veranstaltung kontaktierten mich einige schwerhörige Personen und berichteten mir, wie die Tage schriftdolmetschmäßig gelaufen sind. Die Teilnehmer:innen waren ob des Textes, der über den Bildschirm lief, mehr verwirrt als informiert. Nach ihren Beschwerden vor Ort wurde die KI schlichtweg abgedreht.

Das hat wieder einmal gezeigt, dass es nicht reicht, dass ständig Schrift produziert und gebeamt wird.

Der Inhalt und die Lesbarkeit sind essenziell!

Die KI ist gnadenlos.

Selbst wenn die Künstliche Intelligenz die Ausgangsworte 1:1 verschriftlicht, stellt sich die Frage, ob der Text so lesbar und ver­stehbar ist. Die KI filtert nicht – wie wir – Zwischen­laute, Wort- und Satzpartikel. Sie schreibt und schreibt und schreibt, ohne nach dem Hintergrund zu fragen.

Das ist unser klarer Vorteil: Wir hören, was gespro­chen wird, wir hören zu und wir nehmen mit unse­ren Sinnen Dinge wahr, die der KI verborgen bleiben: Ist der/die Sprechende nervös und wieder­holt sich deswegen mehrfach? Ist es notwendig, den mehrfach gesprochenen Satzteil in Schrift zu fassen? Oder soll etwas besonders betont werden, wodurch sich der schriftliche Text – ohne Stimmmelodie und Sprachfärbung – eigenartig liest? Wir Schriftdolmetscher:innen können para­phrasieren, Synonyme einsetzen und scheinbare Nebensächlichkeiten anführen, die jedoch den Lauf der Dinge beeinflussen können: (Telefon läutet) (Person verlässt den Raum) (Unruhe ent­steht) (Zwischenrufe) (Gelächter) (ironischer Unterton) usw.

Oft bekommen wir, wie die Teilnehmer:innen auch, Gespräche oder Gesprächsfetzen abseits des Mikrofons mit. Das ist der KI unmöglich. Kein Input = kein Text. Diese kleinen Details haben oft eine große Wirkung! Warum hat die Person die Veran­staltung verlassen? Ein Notfall, der nichts mit dem Hier und Jetzt zu tun hat! Wir schreiben das – im Gegensatz zur KI – auf. So, wie alles Gesagte, das per Mikrofon aufgenommen wird.

Bei der KI würde der Text stocken. So, wie der Text für Schwerhörige stockt, wenn ohne Mikro gespro­chen wird. Einsetzen würde die Verschriftlichung wieder dort, wo der Vortragende im Scherz mut­maßt, dass die Person wegen seines Vortrages die Veranstaltung verlassen hat. Hm.

Wie schaut es mit der Verschriftlichung von Dialekt/en aus?

Wir finden es immer wieder amüsant, wenn z.B. niederösterreichischer oder Wiener Dialekt mit Untertiteln versehen wird. Wer, so fragt man sich, versteht den nicht? In Gesprächen wird immer wieder klar, dass Nicht-Österreicher:innen mit diesen Sprachfärbungen oftmals nicht oder schlecht zurechtkommen. Selbst, wenn wir öster­reichisches Hochdeutsch sprechen, unterlaufen uns kleine Ausflüge in die Welt der lokalen Sprach­färbung. Wir verwenden Worte wie „Sackerl“ oder „Pompfinebrer“.

Es kann sein, dass wir an der richtigen Schreib­weise arbeiten müssen. Wenn wir merken, das ge­lingt uns nicht zügig, setzen wir die Begriffe unter Anführungszeichen oder ersetzen kurzerhand durch das hochdeutsche Wort: „Tüte“ oder „Toten­gräber“.

Die KI haben wir ausprobiert: „Sakka“ und „Bom­ber“ schreibt sie. Beim zweiten Versuch ist sie überfordert und schreibt gar nichts. Dritter Versuch: „Zachary“ und „Pummer“.

Klar, bei ungeschöntem Dialekt aus uns sprachlich fernen Regionen können auch wir menschlichen Schriftdolmetscher:innen an unsere Grenzen sto­ßen. Stottern, Zwischenlaute, Räuspern, Husten, Interpunktion, Grammatik stellen für die KI oft Schwierigkeiten dar. Akzente sind für die KI eine mindestens so große Herausforderung oder – ebenso wie Dialekte – eine Unmöglichkeit.

Unser Fazit

Wenn es sprachlich herausfordernd ist und Richtigkeit sowie Lesbakeit des Textes wichtig sind, dann ist es unumgänglich, gute Schrift­dolmetscher:innen zu buchen, um dem Publikum zufriedenstellende akustische Barrierefreiheit zu bieten!

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