INKLUSIVE BILDUNG FÜR SCHWERHÖRIGE SCHÜLER/-INNEN

Wir gratulieren herzlich zur (bald) bestandenen Matura!

Die erste Schülerin österreichweit haben wir die gesamte Oberstufe hindurch als Schriftdolmetscherinnen begleitet. Aus dem Mädchen ist eine junge Frau geworden, sie maturiert im Mai/Juni. Sehr souverän und überzeugend hat sie ihre VWA (Vorwissenschaftliche Arbeit) präsentiert. Lydia (Name geändert) hat mich als ihre Schrift­dolmetscherin eingeladen, dabeizusein. Daher kann ich aus eigener Über­zeugung sagen:  Sie hat ihre Sache großartig gemacht!

Kostenübernahme durch Fördergeber

Bis zu 7 Stunden pro Woche werden vom Bildungsministerium bei Erfüllung der Fördervor­aussetzungen im Schulunterricht genehmigt, also bezahlt. Ziel ist nicht nur akustische Barrierefrei­heit, sondern Inklusion und Teilhabe. Der Schul­unterricht umfasst zwar weit mehr als 7 Wochenstunden, dennoch: Die Jugendlichen haben die Chance, sich in dieser Zeit dergestalt in die Gemeinschaft einzubringen, dass es ihnen in weiterer Folge während der vielen anderen Stunden dienlich ist. Die Grundlage für den Zusammenhalt ist geschaffen. Inklusion und Teilhabe sind die Folge.

Die Qual der Wahl: geförderte Gegenstände

Die jungen Menschen dürfen sich selbst aus­suchen, in welchen Unterrichtsgegenständen sie das Gesagte per Schriftdolmetschservice mitver­folgen möchten. Im ersten Jahr hat Lydia unter anderem eine Stunde ausgewählt, in der gemein­sam mit dem Klassenvorstand die Klassen­gemeinschaft gefestigt wurde. Die Gegenstände sind pro Jahr variabel. 2019 hat sie u.a. wieder Deutsch und Englisch ausgesucht.

Auffällig ist, dass häufig Sprachunterricht von den Schülern und Schülerinnen gewählt wird. Hier kommt es oft auf jeden Buchstaben an – denken Sie bloß an den 3. und 4. Fall! Aber auch z.B. Physik, Chemie, Biologie, Geographie usw. sind beliebte Fächer bei unseren jungen Userinnen und Usern.

Nach welchen Kriterien sich die Jugendlichen entscheiden, ist leicht nachzuvollziehen: Es sind jene Stunden, die besonders wichtig sind, jene, wo die Lehrkraft schnell bzw. leise spricht oder jene Fächer, die ihnen vielleihcht nicht ganz leicht fallen.

Die Mitschrift als Lernunterlage

Durch die Schriftdolmetschung entfällt die An­strengung des Hörens, die Konzentration ist un­eingeschränkt beim Inhalt. Die simultan ge­schriebene Mitschrift wird nicht nur im Unterricht mitgelesen, diese wird den jungen Userinnen und Usern hinterher zur Verfügung gestellt, damit sie die Inhalte zu Hause nochmals in Ruhe nachlesen und lernen können. Passagen, die zu viel Persön­liches beinhalten, werden gelöscht: Erzählt ein Klassenkamerad z.B. darüber, dass er in seiner alten Schule Schwierigkeiten hatte, so werden diese Details zwar zunächst gedolmetscht, aber dann wieder eliminiert. Namen von Klassen­kolleginnen und -kollegen werden aus dem Proto­koll ebenfalls entfernt.

Angepasst an die Lesegeschwindigkeit schriftdolmetschen wir in 5 Sprachen

Die Lesegeschwindigkeit ist variabel und hängt auch oft vom Alter ab.

Unsere Dolmetschgeschwindigkeit passen wir an die Lesegeschwindigkeit der Jugendlichen an. Wird ein langsameres Arbeitstempo gewünscht, fassen wir stärker zusammen und haben des­wegen Zeit, den Text noch besser zu strukturie­ren. So können Passagen, die besonders wichtig sind, mehrfach wiederholt oder an der Tafel notiert wurden, fett, unterstrichen, kursiv oder sogar farbig hervorgehoben werden.

In der Maturaklasse, so hat sich gezeigt, dolmet­schen wir „am Wort“, was bedeutet, dass wenig zusammengefasst und das Maximum an Inhalt übertragen wird.

Im Schulunterricht arbeiten AMTMANN-Schriftdolmetscher/-innen in fünf Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch.

Online schriftgedolmetscht 

Liegt die Schule, in die höreingeschränkte Schüler/-innen gehen, fernab, wird online ge­arbeitet. Die Mitarbeit des Lehrkörpers ist gefragt, was in Zeiten der in Kraft getretenen UN-Be­hindertenrechtskonvention üblicherweise kein Problem darstellt: Ein Mikrofon wird von der Lehr­kraft getragen, über das mithilfe des Internets der Ton an die Schriftdolmetscher/-innen übertragen wird.

Kilometer entfernt sitzen wir als zer­tifizierte Schriftdolmetscher/-innen im Büro, hören sozusagen stellvertretend für die jungen Leute den Unterricht – und produzieren Satz für Satz das Gehörte in gut lesbare Schrift. Auch on­line sind wir täglich in Settings, hier sehr stark im Fremdsprachenunterricht, nicht nur für schwer­hörige sondern auch für gehörlose Schüler/-innen.

Bis zur Matura und darüber hinaus

Nicht nur Lydia, die durch Schriftdolmetschen unterstützt wurde, maturiert heuer, sondern noch zwei weitere gehörlose Userinnen, die (für den Fremdpsrachenunterricht) Schrift­dolmetscher/-in­nen zur Seite haben. Wir hoffen, dass alle drei ihre Schullaufbahn erfolgreich abschließen, bevor sie weiter auf die Universität gehen oder vielleicht eine Lehre absolvieren.

Egal, welchen Ausbildungsweg sie beschreiten: Sie können ihn akustisch barrierefrei und ge­fördert gehen, wir, ihre Schrift­dolmetscher/-innen gehen mit.

Fördervoraussetzungen

  • Ab 50% Höreinschränkung
  • Feststellungsbescheid
  • Tipp: Einvernahme mit dem Bildungsträger!

Braucht auch Ihr Kind Unterstützung durch Schriftdolmetscher/-innen, dann kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gerne!