AUS DER SCHRIFTDOLMETSCH-PRAXIS

Kürzlich erreichte uns eine zeitknappe Anfrage für eine Veranstaltung. Alle für Events zertifizierten Schriftdolmetscher waren ausgebucht.

Und doch: Wir setzten alle Hebel in Bewegung, um auch hier die Klienten optimal unterstützen zu können. Die Bemühungen waren von Erfolg gekrönt und die angefragte Generalversammlung eines Vereins wurde gedolmetscht. Wichtig war die Begleitung durch Schriftdolmetscher, da sich Menschen mit Hörbeeinträchtigung im Auditorium befanden und außerdem ein Protokoll erwünscht war, um auch über den Zeitpunkt der Versammlung hinaus beweisen zu können, worüber gesprochen, was entschieden wurde. Der Beruf des Schriftdolmetschens birgt viel Verantwortung in sich, denn über die visuelle Darstellung des Gesprochenen hinaus, ist der vermittelte Inhalt von immenser Wichtigkeit. Wird z.B. „ein“ statt „kein“ geschrieben, ist der Sinn kontrovers.

Außergewöhnlich war, dass alle Teilnehmer gleich zu Beginn dazu angehalten wurden, mitzulesen und eventuelle Unstimmigkeiten in der Live-Mitschrift sofort zu beanstanden, damit der Inhalt gleich richtiggestellt werden kann. Eine Herausforderung, die zu noch besseren Leistungen anspornt. Die Veranstaltung wurde im Übrigen kein einziges Mal deswegen unterbrochen. Anerkennende Worte und Applaus am Ende waren die Folge.

AMTMANN in der Praxis

Mitschrift und Protokoll

Üblicherweise werden Mitschriften, die während eines Settings angefertigt werden, unmittelbar im Anschluss an den Einsatz gelöscht – es sei denn, es wurde die Erstellung eines Protokolls gebucht. In diesem Fall wird die Live-Mitschrift komplett überarbeitet, evtl. unverständliche Satzfragmente werden entfernt, völlig verdrehte und dadurch nicht nachvollziehbare Sätze umgestellt, damit sie einen Sinn ergeben. Die Ausdrucksweise der Redner allerdings wird nicht geglättet. Einerseits greifen Schriftdolmetscher nicht in die persönliche Note eines Referenten ein und andererseits soll die Authentizität gewahrt bleiben.

Schriftdolmetschen auf der Universität 

Universitäts-Einzelsettings sind neben Event-Settings eine der vielen und häufigen Einsatzgebiete von Schriftdolmetschern. Nach einer Lehrveranstaltung werden Mitschriften standardmäßig nicht gelöscht. Dies stellt eine der wenigen Ausnahmen in diesem Zusammenhang dar. Sogar die Rohmitschrift wird an die Studierenden ausgehändigt. Den Betroffenen ist dadurch die Möglichkeit eingeräumt, das Gelehrte zu einem späteren Zeitpunkt nochmals in Ruhe durchzugehen und sich die Inhalte besser zu verinnerlichen.

Was Studierende besonders schätzen, ist der persönliche Kontakt. Einige Minuten bevor die Vorlesung beginnt, ist Zeit für einen kurzen Austausch und Small Talk: Man unterhält sich über das Studium, die Lehrinhalte, die bevorstehende Prüfung und auch über persönliche Dinge wie z.B. das letzte Wochenende oder gesundheitliche Angelegenheiten. Ein vertrautes, freundschaftliches Verhältnis entsteht.

Die Schriftdolmetscher

Derzeit sind in Österreich acht Schriftdolmetscher für Einzel-Settings zertifiziert, vier davon sind auch für Events qualifiziert.

Sämtliche Schriftdolmetscher weisen eine hohe Reisebereitschaft auf. Sie kommen – so es die Kapazität erlaubt – gerne an jeden Ort, um dort für ihre Klienten die Lautsprache in die Schriftsprache zu übersetzen und damit das Gesagte sichtbar zu machen.

Qualität und Zertifizierung

Wir legen größten Wert auf ausgezeichnete Qualität, was unseren Klienten zugutekommt. Schriftdolmetscher unterziehen sich alle 1,5 Jahre vor einer Prüfungskommission einer Nachzertifizierung, um zu zeigen, dass sie den hohen Anforderungen nach wie vor gerecht werden: >400 Zeichen/Minute und eine verständliche Mitschrift, in der das Wesentliche herausgearbeitet ist. Abzüge gibt es für schwerwiegende Fehler. Hörfehler sind natürlich nicht auszuschließen, dürfen sich aber bei einer guten Raumakustik und geordneter Gesprächsführung nicht häufen.

Die Anforderungen sind zu Recht hoch, denn der Bedarf an Schriftdolmetschern steigt. Die in Österreich sehr neue Disziplin ist noch relativ unbekannt. Jedoch: Wer einen Live-Einsatz von Schriftdolmetschern miterlebt hat, ist begeistert. Und das schließt nicht nur das betroffene Klientel, sondern auch Hörende ein.

Neben der Begeisterung steht klar die Barrierefreiheit im Zentrum: Mit 2016 soll in Österreich gemäß UN-Behindertenrechtskonvention die Barrierefreiheit umgesetzt sein. Schriftdolmetscher gewährleisten diese für Menschen mit Hörbeeinträchtigung sowie für Spätertaubte.

Gewerbeordnung

Das Schriftdolmetschen als neues Berufsfeld in Österreich ist nun auch von gewerberechtlicher Seite anerkannt.

Die „Bundeseinheitliche Liste der freien Gewerbe“ des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft wurde geändert, Schriftdolmetschen in den Wortlaut aufgenommen.

Auf Seite 19 der Liste findet sich der neue, nunmehr korrekte Wortlaut:

„Sprachdienstleistungen (das umfasst insbesondere Übersetzen, Dolmetschen, Schrift- und Gebärdendolmetschen, Lokalisierung von Software, Synchronisation) ausgenommen literarische Übersetzungen“

Nachzulesen unter: Bundeseinheitliche Liste der freien Gewerbe.pdf

Dieser Artikel ist im Juni 2015 im Sprach-R-ohr, der österreichischen Schwerhörigenzeitschrift, erschienen.

AMTMANN SprachRohr 06/2015