GEHEIMSPRACHE INNERHALB UNSERER SPRACHE

AMTMANN Geheimsprache

Das Rotwelsch, die ursprüngliche Geheim­sprache hat vor Jahrhunderten Einzug in die deutsche Umgangssprache gehalten.

Sind wir uns dessen bewusst, dass wir uns gelegentlich des Rotwelsch, dieser ur­sprünglichen Geheimsprache, bedienen? Lassen Sie sich für ein paar Augenblicke in die spannende Welt der „Gaunersprache“ entführen. Rotwelsch ist ein Soziolekt, der im 13. Jahrhundert seinen Ursprung nimmt und seit dem 17. Jahrhundert begonnen hat, Bestandteil der deutschen Alltagssprache zu sein – geprägt von örtlichen Dialekten versteht sich.  

Vielleicht erinnern Sie sich: Anfang des Jahres haben wir über französischsprachige Settings berichtet. Im Zuge dessen sind wir auf Einflüsse und Vokabular aus  unterschiedlichen Sprachen ins Deutsche eingegangen. Eine davon: das Rotwelsch. 

Rotwelsch war die Sprache der „unteren Zehntausend“, derer sich Mitglieder sogenannter unehrlicher Berufe, Gauner, das fahrende Volk, Gaukler, Bettler, Kriminelle, Hausierer, Schausteller, Prostituierte, aber auch z.B. Scharfrichter oder Müller und Landknechte bedienten, gesellschaftliche Randgruppen also. Das macht die Sprache zu einem Soziolekt. Es ist eine Sonder- oder Gruppensprache, von denen wir alle einige kennen. Dies schließt unter anderem die Seemannssprache, die Jägersprache oder die Berufssprache mit ein. Auch wir Schriftdolmetscher/-innen haben seit Bestehen unserer „Zunft“ automatisch begonnen, eine eigene Schriftdolmetschsprache zu entwickeln, die stark auf unseren Shortforms fußt und hauptsächlich in schriftlicher Form benutzt wird. Wurden Sie von uns in der Früh in einem Online-Setting schon mal mit einem freundlichen „Gumo“ begrüßt? Einige unserer Kundinnen und Kunden haben – uns gegenüber – diesen Gruß bereits übernommen. 

Warum ist Rotwelsch eine Geheimsprache? 

Ganz einfach: Es handelt sich um ein ausgeklügeltes Kommunikationssystem, das Polizei und Autorität nicht verstehen konnten. Das Geheime wurde – zumindest in Wien – stark angekratzt, als erstmals im Jahr 1443 die „Wiener Bettlerordnung“ erschien. Diese enthielt eine Sammlung von Wörtern, die es der Polizei erleichtern sollte, Menschen am Rand der Gesellschaft besser oder überhaupt zu verstehen.

Im 17. Jahrhundert, als die Landflucht einsetzte und die Menschen sich vermehrt in Städten ansiedelten, zog das Rotwelsch mit ihnen langsam in den deutschen Sprachgebrauch ein, wo es auch heute noch – oft unbewusst – benutzt wird. 

Geheimzeichen, die „Zinken“

In einer Zeit, in der noch wenig Menschen alphabetisiert waren, bedienten sich die Landstreicher und Fahrenden zusätzlich einer Bildsprache, die wiederum je Clique einzigartig war. So übermittelte man nachfolgenden Freunden in Form von geritzten oder auch gezeichneten Symbolen auf Hausmauern und an Ortseingängen Informationen, ob und wo man gut essen, trinken, schlafen könne oder auch, wo einem Verfolgung z.B. durch die Polizei drohte. Überlebenskünstler, die sich einer gewissen Berühmtheit innerhalb ihrer Kreise erfreuten, hinterließen außerdem oftmals ihren „Zinken“, mit dem sie ihre Anwesenheit vermerkten.

Das althochdeutsche Wort „Zinken“ bedeutet soviel wie Spitze. Im Rotwelsch ist damit jede Art von geheimer Verständigung gemeint, unabhängig davon, ob es sich um ein Zeichen, Mimik oder Gestik usw. handelt. 

Haben Sie sich schon einmal gefragt, woher die Redewendung „mit gezinkten Karten spielen“ rührt? 

Der Wortschatz

Woher kommt eigentlich dieser makaber anmutende Glückwunsch „Hals- und Beinbruch“? Haben wir uns nicht alle (nicht nur) als Kinder darüber gewundert, wenn wir mit diesem „Segen“ z.B. zu einer Skifahrt oder einer mehr oder weniger gefährlichen Aktivität geschickt wurden? Ja, es ist ein Segen, denn „bruch“ kommt von dem jüdischen Wort „broche“, was Segen bedeutet. 

Wenn Sie meinen, es sei Stuss, was Sie hier lesen, dann recherchieren Sie doch mal! Sie werden verwundert sein und Wörter wie Haberer, Plutzer oder Schmattes entdecken, die Ihnen sicher vertraut sind und die erstmals Mitte des 20. Jahrhunderts in einem Rotwelsch-Wörterbuch zusammengetragen wurden. Auch Wörtern wie Kohldampf, Tschik oder Zores werden Sie auf Ihrer Suche begegnen – und wenn Sie Massel haben, kommen Sie um ein Schlamassel herum. 

Auf Wikipedia ist zu lesen: „Das Universalwörterbuch der deutschen Sprache im Dudenverlag führt in seiner 5. Auflage von 2003 mehr als 70 Wörter mit rotwelscher oder gaunersprachlicher Herkunft an.“ 

Nun denn, lassen wir das Palavern und widmen wir uns wieder dem Schriftdolmetschen: Wir sind allen Formen der deutschen Sprache gegenüber aufgeschlossen, solange sie respektvoll zur Anwendung kommen.

Kontaktieren Sie uns, gerne unterstützen wir Sie!

Foto: (c) Pixaby

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